Von Partisanen und einem Schweizer Schlachtfeld
„Auf der kargen Alp, die dich beherrscht,
wo die Tapferen bauen ihr Nest,
erhebt die Stimmen und die Gläser,
Italien beginnt hier!“
(Giovanni Bertacchi)
Von Partisanen und einem Schweizer Schlachtfeld
Der Kolumbansweg in Italien führt durch bergige Landschaften, über Partisanenwege und zu einem geschichtsträchtigen Schlachtfeld – von Chiavenna nach Marignano (Melegnano).
Das Gedicht oben habe ich an der Wand eines wunderbaren Grotto in Chiavenna abgeschrieben. Hier beginnt also Italien, hier beginnt der italienische Teil des Kolumbansweges. Zu Beginn wandern wir auf Asphalt, dann folgt ein wunderbarer Dammweg, endlos lang zwar, aber entlang herrlicher Bergflanken. Bereits um die Mittagszeit erreichen wir auf der „Strada de Cavalli“, dem Pferdepfad, der bis 1834 das Valchiavenna mit dem Comersee verband, das kleine Dorf Verceia. Hier entdecken wir auch erstmals den Wegweiser „Cammino di San Colombano“.
Die nächste Etappe nach Dervio führt durch das weitläufige Naturschutzgebiet Pian di Spagne, über den Fluss Adda und danach entlang des Comersees. Es ist eng im Tal, Berge links, See rechts und daher wenig Platz für den Wanderer, der sich immer wieder an die Strassenmauer drücken muss, um nicht von einem irrlichternden Alfa-Fahrer*in mitgerissen zu werden. Ab Dervio bis nach Abbadia Lariana ists vorbei mit Strassenlärm, man wandert auf dem «Sentiero del Viandante», eine Panoramastrecke, auf halber Höhe, immer mit wunderbarem Blick auf den Comersee, zwar schweisstreibend, aber auch atemberaubend – nicht nur der Aussicht auf den See, auch der Kultur wegen: Wir empfehlen vor Abbadia Lariana eine Pause einzulegen an der Kirche von San Giorgio – mit ihren prächtigen und weltweit einzigartigen Fresken aus dem fünfzehnten Jahrhundert und dem Kirchhof.
Auf dem Weg nach Lecco führt der Sentiero durch ehemaliges Partisanengebiet. Hier oberhalb der Dörfer, im Gebirge, versteckten sie sich, nachdem sie des Nachts oder auch tagsüber den Nazis zusetzten. Mandello del Lario vor Lecco ist heute aber nicht nur wegen den Partisanen bekannt, sondern wegen Carlo Guzzi, der vor 100 Jahren mit einem Partner Moto Guzzi gründete.
Herrlich wäre es wohl, den Kolumbansweg ab hier mit einer legendären „Otto Cilindri» unter die Räder zu nehmen – nichts da, per Pedes geht es von Lecco (200m) zuerst auf den Monte Barro (932 m), dann wieder hinunter an den Fluss Adda, diesem auf feinsten Kieswegen entlang nach Calco. Der Adda ist nun unser ständiger Begleiter bis Capriate San Gervasio. Der Adda entspringt bei Livorno und mündet bei Cremona in den Po. Damit ist er der viertlängste Fluss in Italien – und wahrscheinlich auch von Columban und seinen Mönchen ein «Weggefährte» oder besser «Weg-Leiter» gen Süden gewesen. Der Adda ist teilweise mächtig breit, dicht bewaldet und dann wieder ein Bächlein – wird er doch auch zur Stromproduktion genutzt.
Ab Capriate S.G. verlässt mich mein Begleiter und ich den Kolumbansweg. Ich marschiere auf direktem Weg, durch lichte Wälder, den Parco Agricolo Nord Est, kleine Siedlungen direkt nach Monza.
Dieser Abstecher musste sein. Siffert, Rindt und Regazzoni wegen. Durch Mailand führt zwar wieder der Kolumbansweg – ich entscheide mich aber gegen Strassenlärm und für den Schnellzug Monza – Melegnano. Melegnano? Uns Schweizern wohl besser bekannt als Marignano. Die Niederlage bei Marignano 1515 beendete die Expansionsbestrebungen der Eidgenossen und war eine der letzten grossen Schlachten, an denen die alte Eidgenossenschaft beteiligt war. Ich nutze den Ruhetag und spaziere hinaus zum Schlachtfeld und Totenhaus. Stille. Weites, leeres Feld. Strassenkreuzung. Der Ort, der für die Schweiz so wichtig war, besteht aus einem schäbigen Acker und einem kleinen Häuschen mit Totenschädeln und Knochen. Meine Enttäuschung darüber spüle ich im nahegelegenen Agriturismo mit Vino della Casa hinunter.
Ab Mailand gibt es zwei Kolumbanswege – der eine führt über Pavia und Stradello (Po-Übergang) nach Bobbio. Der andere über Melgnano und Calendasco (Po-Übergang) nach Bobbio. Ich wählte die zweite Variante. Doch davon in einem späteren Newsletter mehr. – Hier die Route Chiavenna – Marignano https://viacolumbani.com/pedestre/8-610-cammino-di-san-colombano-italie/
Reinhard Frei, Vorstandsmitglied Verein IG Kolumbansweg Schweiz